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30. Juli 2006

Wirtschaft

Aktuell

Globalisierung ist keine Einbahnstraße
Von dem Einstieg einer indischen Metallgießerei bei deutschen Unternehmen profitieren inzwischen alle Beteiligten
VON RAINER HÖRIG

Das "indische Detroit" wird die zweitgrößte Metallgießerei der Welt in der Stadt Pune auch genannt. Bharat Forge produziert hier Achsen, Lenkgestänge und Kurbelwellen für Nutzfahrzeuge und Pkw. "Wir haben uns schon früh am Weltmarkt orientiert", erklärt Geschäftsführer Baba Kalyani. "Heute betreiben wir Fabriken in sechs Ländern." Nun gelte es, das Unternehmen auf eine feste Basis zu stellen. Weitere Firmenübernahmen seien vorerst nicht geplant, versichert der bescheiden auftretende Manager.

Vor drei Jahren machte Bharat Forge in Deutschland Furore, als es die Stahlschmiede Carl Daniel Peddinghaus in Ennepetal kaufte. Dort brodelte die Gerüchteküche, nachdem die Übernahmepläne bekannt wurden. Von der Verlagerung der Produktionsanlagen nach Indien war da die Rede, vom Abbau von Arbeitsplätzen. "Das war zu erwarten", kommentiert Baba Kalyani sachlich kühl. In Gesprächen mit den Beschäftigten habe er versucht, deren Vertrauen zu gewinnen.

Investitionen in der Bundesrepublik

Den Worten ließ der Inder danach Taten folgen: Neue Investitionen in den Ausbau der Produktionskapazitäten in Deutschland zerstreuten schließlich die Befürchtungen der Belegschaft. Auch das indische Werk habe von der Globalisierung der Firma profitiert. "Unsere Arbeiter sind stolz darauf, für ein internationales Unternehmen zu arbeiten, das motiviert sie", betont Baba Kalyani lächelnd. "Indische Kunden vertrauen unseren Produkten, weil sie wissen, dass sie auf internationalen Märkten Erfolg haben. Das schlägt sich natürlich auch in höheren Verkaufszahlen nieder."

Mit dem Kauf von Carl Peddinghaus und zwei weiteren deutschen Unternehmen erwarb Baba Kalyani moderne Spitzentechnologie, die er in seinem weltweiten Firmennetz einsetzen kann. Deutschlands führende Autobauer zählen nun zu seinen Kunden. Deutsche Ingenieure optimieren jetzt auch im Stammwerk in Pune die Produktionsabläufe. Den Technologietransfer kleidet der zurückhaltende Milliardär Kalyani in schmeichelhafte Worte: "Die Deutschen besitzen sehr hoch entwickelte technologische Fähigkeiten, während Inder eine Bereitschaft zum schnellen Lernen mitbringen. Eine gute Kombination, meine ich."

Bei der Verschmelzung eines indischen und eines deutschen Unternehmens gilt es kulturelle Differenzen zu überbrücken. Unterschiedliche Geschäfts- und Produktionspraktiken können zu Missverständnissen und Konflikten führen, hat Baba Kalyani erfahren: "In Deutschland mag man Perfektion: ,ja' heißt ,ja' und ,nein' heißt definitiv ,nein'. Wir Inder nehmen nicht alles so genau, morgen kann auch übermorgen bedeuten, ein ,ja' wird auch als ,mal sehen' interpretiert. Hier manifestieren sich ganz unterschiedliche Mentalitäten." Bharat Forge veranstaltet interkulturelle Trainingsprogramme für Manager und ihre Ehefrauen, denn die Integration der Firma müsse beim Personal beginnen, betont Kalyani.

Für die Beschäftigten der Firma CDP-Bharat Forge in Ennepetal eröffnete die freundliche Übernahme neue Perspektiven. Während in Europa die Märkte als gesättigt gelten und wenig Raum für Expansion bieten, gewann die Firma Peddinghaus Zugang zu einem Zukunftsmarkt. Nach Angaben der deutsch-indischen Handelskammer in Mumbai (Bombay) ist Indien der zur Zeit am schnellsten wachsende Automobilmarkt der Welt. "Mit steigendem Bruttosozialprodukt wächst hier auch die Nachfrage nach Autos und Motorrädern", erklärt Baba Kalyani. "Ich erwarte, dass die Branche jährlich um zwölf bis 15 Prozent zulegt."

Ein eigenes Auto ist in Indien Luxus

Aber in einem Land, in dem mindestens ein Viertel der Bevölkerung die Grundbedürfnisse nicht befriedigen kann und unter der offiziellen Armutsgrenze lebt, ist ein Privatfahrzeug nach wie vor purer Luxus. Weniger als ein Prozent der Leute kann sich einen Wagen leisten. Dennoch bricht in den Metropolen täglich der Verkehr zusammen.

Der mittelständische Unternehmer Sujit Patwardhan, der ein Bürgerforum zu Verkehrsproblemen in Pune ins Leben rief, gibt zu bedenken: "Ich freue mich, dass immer mehr Menschen ein Auto kaufen können. Aber ich fürchte auch, Autofahren könnte bald mehr Pein als Freude sein. Unsere Städte ersticken am Verkehr, die Atemluft wird immer schlechter, Parkplätze sind schon jetzt Mangelware. Es kann gut sein, dass die positive Einstellung der Menschen zum Automobil schon bald umschlägt."




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Copyright © FR online 2006
Dokument erstellt am 24.07.2006 um 17:08:30 Uhr
Erscheinungsdatum 25.07.2006


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